
Im unteren Sulmtal unweit von Heimschuh befindet sich ein lang vergessener Gipfel mit einer hervorragend erhaltenen prähistorischen Siedlung, der sogenannte Nestelberg oder Königsberg.
Die Engstelle des Sulmtals wurde immer als die Schlüsselstelle zur Kontrolle des Zugangs vom Murtal ins Sulm- und Saggautal gehandelt. Die volle Ausdehnung der Siedlung mit einem Kernbereich und einer Vorburg, die beide mit Erdwällen befestigt waren, wurde erst durch Luftscans erkannt. Die Grabungen in den Jahren 2016 und 2017 bestätigten eine ausgedehnte spätbronzezeitliche Siedlung mit einer Nachnutzung in der älteren Eisenzeit.
Im Jahr 2016 startete die Abteilung Archäologie & Münzkabinett des Universalmuseums Joanneum ein neues Forschungsprojekt mit dem Titel „Der Königsberg bei Heimschuh – eine prähistorische Festung über der Sulm“. Die Siedlungsstelle auf dem Nestelberg („Königsberg“) bei Heimschuh war durch erste Grabungen in den 1960er-Jahren schon länger bekannt, jedoch nicht wissenschaftlich erschlossen. Durch geophysikalische Vermessungen, archäologische Grabungen und archäobotanische Untersuchungen konnten neu Erkenntnisse über die prähistorische Besiedlung des Sulmtals gewonnen werden.
Die ALS-Daten von GIS-Steiermark brachten einen klaren Einblick in den Aufbau der Siedlung. Sie kann in zwei Bereiche gegliedert werden, die durch einen mächtigen Erdwall geteilt sind: den Kernsiedlungsbereich auf dem Hügelplateau und die Vorburg am seichten nördlichen Hang in Richtung der Sulmschleife. Auch die Vorburg wurde durch Erdeingriffe mit einem Schutzhindernis ausgestattet, das besonders nach Norden in Richtung Sulm gut ausgeprägt ist. Die geophysikalischen Vermessungen zeigten eine intensive Besiedlung innerhalb des Erdwalls und den mehrphasigen Aufbau des Schutzwalls.
Im August 2016 erfolgte eine erste Überprüfungsgrabung im Bereich der Vorburg auf dem Königsberg. Die Schnitte wurden so ausgewählt, dass unterschiedliche Arten von geophysikalischen Anomalien überprüft werden konnten. Die Schnitte im Inneren der Vorburg brachten Kulturschichten, Pfostensetzungen und eine Feuerstelle zum Vorschein. Der Schnitt durch den Schutzwall der Vorburg zeigte eine massive Steinsetzung, die im Kern des Erdwalls errichtet wurde.
Ziel der Untersuchungen im Jahr 2017 war die Überprüfung weiterer geomagnetischer Anomalien in der Vorburg sowie des Aufbaus des Walls zwischen dem zentralen Plateau der Anlage und der Vorburg. Die Grabung am inneren Wall zeigte vier Besiedlungsphasen. Unter dem Humus konnte eine durchgehende, teils sehr massive jüngere Wallschüttung aus Steinen und Sand festgestellt werden. Sie wurde durch Erosionsprozesse nach der Auflassung der Siedlung stark verändert und überlagerte die hallstattzeitliche Feuerstelle. Die hallstattzeitliche Nutzung des Areals wurde durch eine radiokarbondatierte Feuerstelle bestätigt. Ob die Feuerstelle mit der Errichtung der zweiten Wallschüttung in Zusammenhang gebracht werden kann, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Auf jeden Fall wurde sie nach dem Auflassen des Walls von der Aufschüttung überdeckt. Zwischen der älteren und der jüngeren Wallaufschüttung lag ein Brandhorizont, der eindeutig in die Spätbronzezeit datiert werden konnte. Die erste Wallschüttung sowie der Graben, die Gruben, Stecken- und Pfostenlöcher, welche Teil der Wall-Konstruktion bzw. Hinweise auf eine Besiedelung des Innenareals sind, datieren in die Spätbronzezeit. Vermutlich war der Graben im Innenbereich des Plateaus dem Wall vorgelagert, der bis in den geologischen Untergrund einschneidet. Mittels C14-Datierungen von Holzkohle aus der Grabung 2017 konnte für die Brandschicht eine Datierung zwischen 1000 und 800 v. Chr. und für die Feuerstelle eine Nutzungsphase zwischen 800 und 400 v. Chr., vermutlich eher 600-400 v. Chr., bestimmt werden.
Für archäobotanische Untersuchungen wurden Proben aus beiden Grabungsjahren flotiert und untersucht. Das ermittelte Kulturpflanzenspektrum ist trotz der geringen Probenanzahl sehr vielfältig, es umfasst an Getreiden vor allem Körner der Kolbenhirse (Setaria italica), die fast alle aus der Herdstelle stammen. Außerdem liegen Belege für Echte Hirse/Rispenhirse (Panicum miliaceum), einen Nacktweizen (Triticum aestivum s.l./durum/turgidum), Emmer oder Dinkel (Triticum dicoccum/spelta) sowie Gerste (Hordeum vulgare) vor. Auch Samen von Leguminosen sind dokumentiert, von denen nur die Linse (Lens culinaris) gesichert identifiziert werden konnte. Der Großteil der Funde von Wildpflanzen stammt von Ackerbeikräutern, wie sie vor allem in Hackfruchtkulturen und Sommergetreide vorkommen. Sie gerieten wohl unbeabsichtigt mit dem Erntegut in die Siedlung. Von absichtsvoll gesammeltem Wildobst stammen hingegen die Belege von Haselnuss (Corylus avellana), Fingerkraut/Erdbeere (Potentilla/Fragaria), Schlehe (Prunus spinosa) und Himbeere (Rubus idaeus), mit denen der urnenfelderzeitliche Speiseplan ergänzt wurde.
Text: Dr. Marko Mele