Flavia Solva ist der bekannteste und bedeutendste römerzeitliche Fundplatz der Steiermark, denn diese einzige römische Stadt innerhalb der Landesgrenzen kann in mancher Beziehung als die erste Hauptstadt der Steiermark gelten. Die Siedlung erhielt 70 n. Chr. von Kaiser Vespasian das Stadtrecht. Wie viele „auf der grünen Wiese“ angelegte Siedlungen der Antike war Solva eine „Reißbrettstadt“ mit geraden, einander rechtwinkelig schneidenden Straßen und gleichmäßig angelegten Häuserblöcken. Vergleichbares hat es in der Steiermark nie wieder gegeben.
Flavia Solva liegt im Südosten der Provinz Noricum, am westlichen Ufer der Mur, im Leibnitzer Becken. Das Territorium der Stadt, dessen Grenzen immer noch nicht zuverlässig geklärt werden konnten, war im Süden, Westen, Norden und Nordosten von Bergen umschlossen und öffnete sich nach Osten und Südosten; die wichtigste Verkehrsverbindung war die entlang der Mur verlaufende Straße. Verkehrstechnisch lag Flavia Solva weit östlich des Verlaufs der sog. norischen Hauptstraße und nördlich der sog. Bernsteinstraße. In großer Nähe zur latènezeitlichen Vorgängersiedlung auf dem Frauenberg, die zumindest seit der Bronzezeit die verkehrstechnisch wichtige Kreuzung der in ostwestlicher Richtung verlaufenden Straße durch das Sulmtal und jener durch das Murtal besetzte, bezeugt die Lage Flavia Solvas indirekt auch den Bedeutungsverlust des Sulmtales und die Aufwertung des Verkehrswegs entlang der Mur.
Flavia Solva wird weder auf der Tabula Peutingeriana noch in den bekannten römischen Itineraren genannt. In der antiken Literatur wird Flavia Solva nur ein einziges Mal, von Plinius d. Ä. in der Naturgeschichte, genannt. Dieser Nennung verdanken wir nicht nur die zeitliche Eingrenzung der Stadtrechtsverleihung unter Kaiser Vespasian (69–79 n. Chr.), sondern auch die gesicherte Zuweisung des Territoriums und der Stadt an die Provinz Noricum. Die Lokalisierung dieser von Plinius genannten Stadt Flavia Solva in Wagna erfolgte aufgrund epigraphischer Indizien 1848 durch Richard Knabl.
Das Municipium Flavia Solva
Die heute bekannte Ausdehnung der Stadt beträgt in nordsüdlicher Richtung etwa 650 Meter und in ostwestlicher Richtung etwa 450 Meter. Im Osten wurde die Stadt durch die Mur begrenzt, im Westen durch die Gräberfelder, die Ausdehnung im Norden und Süden ist durch geophysikalische Untersuchungen und Ausgrabungen definiert. Als Grundlage des orthogonalen Straßenrasters wurde die Straßenbreite von 68 römischen Fuß vorgeschlagen, die Insulae entsprächen in ihrer Breite und Länge der zweifachen bzw. dreifachen Straßenbreite, woraus sich vier Größen von Häuserblöcken ergeben. Flavia Solva besaß keine Stadtmauer und keine Kanalisation. Die Wasserversorgung erfolgte durch Brunnen und Zisternen, die Entsorgung der Abwässer in Sickergruben.
Die Entstehung des Amphitheaters wird in die erste Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. gesetzt. Es handelte sich um eine Konstruktion aus Stein und Holz, wobei die Zuschauerreihen in Holz aufgeführt waren. Das Amphitheater von Flavia Solva ist noch heute gut im Gelände erkennbar.
Die Gräberfelder
Flavia Solva ist das einzige Municipium, zu welchem Hügelgräberfelder gehörten. Vier große Gräberfelder gehören zur Stadt: Das am westlichsten gelegene Gräberfeld Altenmarkt, die beiden Gräberfelder Spitalsgelände und Marburgerstraße und das im Südwesten gelegene Gräberfeld Johann-Maier-Straße. Die ältesten Gräber aus der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. befanden sich im Gräberfeld Marburgerstraße, an welcher nahe der Mur auch die Insula XL liegt, unter welcher frühe Holzbauphasen der Stadt entdeckt werden konnten. An der Straße, die Flavia Solva mit dem Frauenberg verband, befand sich das Gräberfeld Spitalsgelände, an der Straße zu den Kalksteinbrüchen in Aflenz war das Gräberfeld Johann-Maier-Straße gelegen.
Das kleinste der Solvenser Gräberfelder lag an der Johann-Maier-Straße. Prominentester Befund dieses Gräberfeldes ist der sog. Kraberkogel, dessen Grabeinbau sich heute auf dem Gelände des archäologischen Freigeländes in Wagna befindet.
Sog. Feuerwehrinschrift aus Flavia Solva
Kanius Dignus, Vibius Catussa, Claudius Leo: Drei Bewohner von Flavia Solva, deren Namen auf der sog. Feuerwehrinschrift genannt werden. Es handelt sich bei der Inschrift um die für die öffentliche Aufstellung in Stein gefasste Antwort des Kaisers Septimius Severus auf die Frage des Statthalters von Noricum, wie mit den Privilegien für die Mitglieder des Vereins der Centonarii zu verfahren sei. Durch die Steuererleichterungen, die den Vereinsmitgliedern gewährt worden waren, entgingen der Stadtverwaltung, so auch der von Flavia Solva, wichtige Einnahmen, und so wandte sich der Gemeinderat an den Statthalter der Provinz Noricum mit der Bitte, diese Privilegien aufzuheben, denn die Mitglieder des Vereins, teilweise sehr vermögende Personen, hatten den Auftrag der gemeinnützigen Tätigkeit offenbar vergessen. Dieser sehr bedeutende Römerstein wurde 1915, also 1710 Jahre nach der Aufstellung, bei Ausgrabungen als Abdeckung eines spätantiken Heizkanals gefunden.
Stirnziegel (antefixum)
Das Antefix, ein Stirnziegel in Form einer Theatermaske, ist das bekannteste Fundobjekt aus den Ausgrabungen des Universalmuseums Joanneum in Flavia Solva, dem heutigen Wagna bei Leibnitz. Als Verblendung an der untersten Reihe der halbrunden Deckziegel angebracht, sollte ein Antefix den Blick auf Sparren und Pfette verhindern. Möglicherweise hatte es zusätzlich eine unheilabwehrende Bedeutung.
Text: Mag.a Dr.in Barbara Porod