Kategorie: Höhensiedlung

Der Lethkogel bei Stainz

Der unweit von Stainz gelegene Lethkogel zählt zu den wichtigsten Höhensiedlungen in der Weststeiermark. Archäologische Forschungsgrabungen in den Jahren 2004–2006 belegten eine frühkupfer- und spätlatènezeitliche sowie frühmittelalterliche Nutzung. Die archäologischen Befunde und das Fundmaterial sind über die Grenzen der Steiermark hinaus von Bedeutung.

Der Lethkogel (608 m ü. A.) in der Katastralgemeinde Gamsgebirg bildet eine nach Osten steil abfallende Rückfallkuppe an einem östlichen Ausläufer der Koralpe und liegt ungefähr drei Kilometer südwestlich von Stainz. Er erhebt sich zirka 270 m über dem Talboden des Stainzbachtales und besitzt eine Siedlungsfläche von etwa 1,2 Hektar. Die bewaldete Kuppe des Lethkogels trägt einen Aussichtsturm, die sogenannte Stainzer Warte, und bietet ausgezeichnete Sichtverbindungen in weite Teile der Mittelsteiermark, darunter zu so bedeutenden Höhensiedlungen wie dem Burgstallkogel bei Kleinklein oder dem Königsberg bei Tieschen. Für die Siedlungstätigkeit auf dem Lethkogel waren sicherlich auch die mikroklimatischen Verhältnisse und die günstige verkehrsgeografische Lage in Richtung Kärnten ausschlaggebend.
Terrassierungen auf der Nordseite sowie der Rest einer Befestigungsanlage an der Südseite des Kogels sind deutliche Nachweise für von Menschenhand verursachte Veränderungen des Geländes. Archäologische Forschungsgrabungen in den Jahren 2004–2006 durch den Verein Archäologieland Steiermark (Wolfgang Artner) belegen eine Höhensiedlung schon in der frühen Kupferzeit (4000 bis 3600 v. Chr.), die in der späten La-Tène-Zeit (späte Eisenzeit, zirka 130 v. Chr. bis Christi Geburt) befestigt und im Frühmittelalter erneut genutzt wurde.
In der frühen Kupferzeit war der Lethkogel möglicherweise ein Zentralort der Weststeiermark. Den keramischen Fundobjekten und Steinartefakten (u. a. Klingen, Messer oder Pfeilspitzen) vom Lethkogel kommt für diesen Zeitraum großes Gewicht zu. Die Funde verweisen auf weitreichende, teils alpenüberschreitende Beziehungen nach Kärnten, Slowenien, Südwestungarn und Oberösterreich. Die ältesten Fundstücke – wie Keramikfragmente von verzierten Krügen, Knickwandschüsseln oder Tüllenlöffeln – stammen aus der Lasinja-Kultur. Ebenso bemerkenswert ist das Fundmaterial aus dem zeitlich nachfolgenden, durch einen neuen Zierstil der Keramik charakterisierten furchenstichkeramischen Horizont sowie Plattensilexmesser und Keramik der sogenannten Mondsee-Gruppe mit typischen Sonnen- und Reißverschlussmustern. Eines der herausragenden Fundobjekte vom Lethkogel stellt eine sogenannte Pintadera dar, eine Art Stempel aus Keramik, für den die wenigen mitteleuropäischen Vergleichsexemplare eine Streuung von Oberitalien über Ungarn bis in die Slowakei aufweisen.
Bruchstücke mehrerer Gusslöffel belegen, dass am Lethkogel Kupfermetallurgie (Arsenkupfer) betrieben wurde – der früheste Nachweis der Verwendung dieser Technologie in der Steiermark. Am Rande der kupferzeitlichen Siedlung wurde außerdem eine Werkstatt aufgedeckt, von der sowohl Abschlaggeräte aus Silex (eine Art Feuerstein) als auch Rohlinge von Äxten und Beilen vorliegen.
Einige wenige Keramikfragmente deuten auf eine Nutzung des Berges in der Chamer Kultur (mittlere Kupferzeit, etwa um 3000 v. Chr.) hin.
Die Besiedlung des Lethkogels dürfte sich in der Kupferzeit auf das oberste Plateau beschränkt haben, während spätlatènezeitliche Keramik auf dem gesamten Areal zu finden ist. In die Spätlatènezeit gehört die 2006 archäologisch untersuchte spätkeltische Befestigungsmauer auf der Südseite des Lethkogels, die sich über eine Länge von etwa 100 m verfolgen lässt und an der Grabungsstelle noch knapp zwei Meter hoch erhalten war. An der Basis besaß die Abschnittsbefestigung eine Breite von fünf Metern, ihre Konstruktionsweise – u. a. mit einer Blendmauer an der Front, stabilisierenden Holzkonstruktionen und einer mit steinernen Querankern verstärkten bergseitigen Rampe –war überaus aufwendig. Ebenfalls in die späte La-Tène-Zeit datieren zahlreiche Öfen noch ungeklärter Funktion, die am nordwestlichen Abhang außerhalb der Abschnittsbefestigung aufgedeckt wurden.
Das frühmittelalterliche Fundmaterial vom Lethkogel beschränkt sich auf einzelne, verstreute Keramikfragmente des 8. und 9., vielleicht noch 10. Jahrhunderts. Möglicherweise datiert die letzte Befestigungsphase des Lethkogels in das Frühmittelalter. Dafür spricht ein in die spätlatènezeitliche Befestigung eingetiefter Spitzgraben mit vorgelagerter Trockenmauer.
Aus dem Frühmittelalter stammt auch die Deponierung zweier intakter Keramiktöpfe, die getrennt in zwei flache, leicht ovale Gruben gestellt worden waren. Weitere Funde oder Befunde waren dabei nicht festzustellen. Ausgräber Wolfgang Artner gibt diesem Befund eine kultisch-religiöse Deutung; es könnte sich etwa um Nachgeburtstöpfe handeln.
Diese schwer einzuordnenden frühmittelalterlichen Siedlungsspuren stellen das Ende der Besiedlung des Lehtkogels dar, mit dessen archäologischer Erforschung teils völlig neue Erkenntnisse zur steierischen Geschichte gewonnen werden konnten.

Text: Mag. Dr. Wolfgang Artner

Alle Themen Zur Karte