Kategorie: 1. und 2. Weltkrieg

Wächterhaus

Standort: Aflenzer Straße 19-17, 8435 Wagna

Das Außenlager „Graz-Leibnitz“ des KZ Mauthausen bestand vom 9. Februar 1944 bis Anfang April 1945. Es wurde errichtet, um eine unterirdische Rüstungsproduktion des Werkes Steyr-Daimler-Puch zu ermöglichen. Der Höchststand der Häftlingszahl war im September 1944 mit 701 Personen erreicht. Die Zahl der Todesfälle im Lager wird in der Forschung als „extrem hoch“ eingeschätzt.

Das Außenlager „Graz-Leibnitz“ in der Ortschaft Aflenz bei Leibnitz, eines von 40 Außenlagen des KZ Mauthausen, bestand vom 9. Februar 1944 bis 1. April 1945. Es wurde errichtet, um eine unterirdische Flugmotorenteileproduktion des Werkes Steyr-Daimler-Puch-AG (SDPAG) Graz-Thondorf zu ermöglichen. Die Kurbelwellen- und Getriebezahnräderproduktion sollten in den Römersteinbruch Aflenz verlegt werden. Bis Juli 1944 sollten 8.000 m2 unterirdische Fläche unter dem Tarnnamen „Kalksteinwerke“ für die Produktion tauglich gemacht werden. Die ersten männlichen Häftlinge – genau 201 – trafen am 9. Februar 1944 ein, um das Lager auf einem Acker an der Straße von Leibnitz nach Retznei zu errichten. Das mit Zäunen und Stacheldraht umgrenzte Lager bestand aus vier Baracken für die Häftlinge, einer Häftlingsküche, Wachtürmen und zwei vor dem Häftlingsbereich errichteten SS-Baracken. Die Lagerbewachung bestand aus ungefähr 50 Mann der SS.

Der Höchststand der Häftlingszahl war im September 1944 mit 701 Personen erreicht. Zu diesem Zeitpunkt waren über 70 Todesfälle und sechs Geflüchtete verzeichnet. Der größte Teil der Häftlinge stammte aus der Sowjetunion, aus Polen, dem Deutschen Reich sowie dem ehemaligen Jugoslawien. Es kam mehrmals zu größeren Häftlingsverlagerungen aus und nach Peggau sowie nach Mauthausen. Nach Einzug des Graz-Thondorfer Werks in die Stollenanlage arbeiteten zeitweise bis zu 2100 Menschen in Aflenz. Die Häftlinge litten unter der schweren Arbeit, der mangelden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern, sowie Misshandlungen durch die SS. Der ehemalige polnische Häftling Edmund Glazewski berichtete Folgendes über die Arbeit im Stollen: „Die schwere Arbeit wurde Tag und Nacht – in zwei Schichten zu je 12 Stunden – in großem Tempo durchgeführt und hatte den Zweck, die bisher nicht geformten Gänge und Räume in eine Art Säle zu verwandeln. Der Boden und die Wände wurden planiert und zurecht geschnitten, die Räume höher ausgebrochen und mit Säulen zur Unterstützung befestigt. Dazu verhalfen uns Presslufthämmer und Bohrer, Keilhauen und strengbewachte Sprengstoffe. Der ganze Abbau, Steine und Erde wurden mit Kippwagen auf Schienen, mit Karren und auf Tragen , größere Felsbrocken meistens mit Schleppern hinausbefördert. Die Arbeit wurde von Zivilisten geleitet.“ – Nach Auflösung des Lagers am 2. April 1945 wurden die verbliebenen 467 Häftlinge unter Bewachung von 50 Mann zu Fuß über den Gaberl-Pass nach Judenburg und weiter in das KZ Ebensee getrieben. Auf diesem Weg wurden kranke und marschunfähige Häftlinge erschossen. Bei Judenburg sollen 50 Häftlinge einen Fluchtversuch unternommen haben.

Letztlich erreichten am 18. April 1945 insgesamt 407 Häftlinge das Lager Ebensee. – Die Gemeinde Wagna errichtete 1989 am Eingang zu einem Stollen des Steinbruchs eine Gedenktafel für die Opfer des Lagers in Aflenz. Auf einem heute noch erhaltenen ruinösen Wachturm des ehemaligen Konzentrationslagers wurde 2009 nach einem künstlerischen Wettbewerb in großen orange-roten-Lettern die Beschriftung „Wächterhaus“ angebracht.

Literatur: Bertrand Perz, Leibnitz, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hgg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 4 (Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück). München 2005, 386–389. Helmut Kandl/Johanna Kandl, Wächterhaus. In Erinnerung an die Ermordeten und Toten in Aflenz bei Leibnitz, einem KZ-Aussenlager von Mauthausen. Wien 2009.

Text: Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung

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