Standort: Schlossplatz 1, 8502 Lannach
Im Schloss wurde 1943 ein von der SS betriebenes „Institut für Pflanzengenetik“ eingerichtet, bei der neun Zeuginnen Jehovas als KZ-Häftlinge zum Arbeitseinsatz herangezogen wurden. Hier wurde das „Vavilowsche Weltsortiment“, die damals größte Sammlung pflanzlichen Genmaterials, beforscht. Das Material hatte die SS zuvor aus der Sowjetunion, aus der heutigen Ukraine und Belarus, geraubt.
Der 1878 geborene Franz Kandler kaufte am 9. November 1905 die „Herrschaft“ Lannach inklusive dem Schloss Lannach. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich verpachtete er das Schloss an die „SS Verfügungsgruppe“, nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde auf dem Schloss ein Dauerkindergarten der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) eingerichtet und bereits am 23. September 1939 eröffnet. Nach dem Abrücken der „SS Verfügertruppe“ folgen am 1. Juni 1940 die II. und III. Kompanie des Polizeiausbildungsbataillons Graz-Lannach, das Schloss blieb bis zumindest September 1942 als Ausbildungsstätte wechselnder Polizeieinheiten in Betrieb.
1943 wurde das Schloss Lannach durch die „landwirtschaftliche Versuchsanstalt der SS“ auf Basis des „Reichsleistungsgesetzes“ beschlagnahmt, der Bescheid hierzu wurde erst 11 Monate später ausgestellt. Franz Kandler wurde seitens des Reichsstatthalters der Steiermark über ein Jahr hindurch bedrängt, den Gutsbesitz zu verkaufen bzw. zu verpachten. Das „Institut für Pflanzengenetik“ im Schloss Lannach wurde am 1. November 1943 eröffnet, als Leiter wurde Heinz Brücher ernannt. Die zuvor von der SS in der Sowjetunion geraubte größte Sammlung pflanzlichen Genmaterials, das „Vavilowsche Weltsortiment“ wurde nach Lannach transportiert und dort beforscht. Ziel war es, unter Verwendung des russischen und tibetischen Sortiments, die „Züchtung kältefester, dürrerestitenter“ und „raschwüchsiger Kulturpflanzen“ für den „Ostraum“ erfolgreich durchzuführen.
Neben einer zivilen Belegschaft wurden ab Ende März 1944 neun „Bibelforscherinnen“ (Zeuginnen Johevas) in der Landwirtschaft des Instituts eingesetzt. Es handelte sich um Häftlinge des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück, die über Mittersill nach Lannach gebracht worden waren. SS-verwaltungstechnisch galt Lannach daher als Subkommando des KZ-Nebenlagers Mittersill, das seinerseits wieder bis 15. September 1944 Ravensbrück unterstanden war, ehe man es dem Frauen-KZ in Mauthausen unterstellte. Die Häftlinge in Lannach wurden daher von Mittersill aus verwaltet. Eine spezielle SS-Bewachung ist für das Außenkommando Lannach nicht nachzuweisen, da die Zeuginnen Jehovas als „fluchtsicher“ galten. Im Vergleich mit den Arbeitsbedingungen im KZ Ravensbrück war die Behandlung der Häftlinge in Schloss Lannach merklich besser. Als erwiesen kann auch der Einsatz von bis zu 20 Kriegsgefangenen am Institut betrachtet werden.
Das Kriegsende bedeutete auch das Ende des „Instituts für Pflanzengenetik“ in Lannach. Die 1947 eröffnete Lannacher Heilmittel GmbH stand mit der Forschungseinrichtung der SS in keinerlei Zusammenhang, kann also nicht als Nachfolgeinstitution betrachtet werden. Heute hat das Unternehmen GL Pharma seinen Sitz im Schloss Lannach und ist im Besitz der Familie Bartenstein.
Literatur: Stefan Karner/Heide Gsell/Philipp Lesiak, Schloss Lannach 1938–1949. Graz 2008.
Text: Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung