Standort: St. Veit in der Südsteiermark
Am 24. August 1945 wurden im Karwald bei Waldarbeiten 24 Leichen in zwei Gräbern gefunden. Identifiziert werden konnten u. a. der ehemalige Kreisleiter der NSDAP Leibnitz, Josef Tomaschitz, der Elektriker Richard Albustin, der Gendarmerieoberleutnant Franz Freidl und der Gendarmeriebeamte Emmerich Keller.
Am 18. August 1945 stießen Bewohner aus Labuttendorf im Karwald (Bezirk Leibnitz) bei Waldarbeiten auf ein Massengrab mit 20 Leichen. Bei den darauffolgenden Untersuchungen wurde ebenfalls im Karwald ein zweites Grab entdeckt. In den beiden Gräbern befinden sich insgesamt 24 nackte bzw. nur mit Unterwäsche bekleidete Leichen, die Schussverletzungen aufwiesen und teils alleine, teils zu zweit mit Draht gefesselt waren. Fünf der gefundenen Leichen konnten identifiziert werden: Josef Tomaschitz, ehemaliger Kreisleiter der NSDAP Leibnitz, der Elektriker Richard Albustin, ehemaliger SA-Sturmbannführer und u. a. Kreisgeschäftsführer der NSDAP Leibnitz, der Gendarmerie-Oberleutnant Franz Freidl, ehemaliger Führer eines SS-Sturmbanns und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes (SD) der SS, der Gendarmeriebeamte und als „Illegaler“ geltende Emmerich Keller, sowie der Soldat Franz Koren aus Cilli/Celje, der aufgrund seines Soldbuches identifiziert werden konnte.
Die Identität der anderen verscharrten Personen konnte nicht geklärt werden. Über Auftrag des Sicherheitsdirektors für Steiermark vom 5. Juli 1949 wurden umfassende Erhebungen über die Verschleppungen und Erschießungen in Leibnitz eingeleitet, in deren Verlauf 40 Personen vernommen bzw. befragt wurden. Rekonstruiert wurde, dass ehemalige Funktionäre der NSDAP bereits wenige Tage nach Zusammenbruch der NS-Herrschaft entweder von der lokalen Gendarmerie oder auch von jugoslawischen Organen, die ab Mitte Mai 1945 die Besatzungsmacht in der südlichen Steiermark stellten, verhaftet und im Bezirksgericht interniert worden waren. Die am 9. Mai 1945 gegründete „Bezirksleitung Leibnitz der demokratischen Freiheitsbewegung“ – Abteilung Sicherheitswesen – hatte am 13. Juni 1945 der jugoslawischen Stadtkommandantur eine Liste mit siebzehn Personen übergeben, die nach der maßgeblichen Forschungsliteratur zu diesem Thema „als Grundlage“ für die später im Auftrage der OZNA (d. i. der Geheimdienst und die Geheimpolizei Jugoslawiens) „durchgeführten Verschleppungen angesehen werden“ müssen. Der erste Abtransport von Häftlingen aus dem Bezirksgericht Leibnitz konnte auf den 18. Juni 1945 datiert werden und betraf 25 Personen, darunter Josef Tomaschitz, Richard Albustin, Franz Freidl und Emmerich Kellner. Ein „Titooffizier“ war in den Mitternachtsstunden in Begleitung mehrerer Soldaten in das Gefängnis des Bezirksgerichts gekommen und hatte die sofortige Öffnung der Zellen verlangt. Der Offizier verlas hernach Namen, die zum Abtransport bestimmt waren. Die Betroffenen wurden auf einen LKW verladen und sollten, so die spärliche Information, „nach Jugoslawien zum Arbeitseinsatz“ verbracht werden.
Die Ermittlungen im Jahre 1949 drehten sich auch um die Frage, ob, wie und von wem 1945 Listen mit Namen erstellt worden waren, die als Ausgangspunkt für die Verschleppungen gelten konnten. Da die Staatsanwaltschaft Graz die Verdachtsmomente bezüglich dieser Frage bei den beschuldigten Österreichern nicht hinreichend bestätigt sah, stellte dieselbe den Fall „Verschleppungen und Erschießungen im Karwald“ ein und brach das Verfahren „gegen unbekannte Täter“ nach § 412 StPO ab.
Literatur: Alfred Elste/Michael Koschat/Paul Strohmaier, Opfer, Täter, Denunzianten. „Partisanenjustiz“ am Beispiel der Verschleppungen in Kärnten und der Steiermark, im Mai/Juni 1945: Recht oder Rache? Klagenfurt 2007.
Text: Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung