
Standort: Radlpass
Der spätere Landeshauptmann Josef Krainer sen. sollte im Februar 1945 verhaftet werden. Er konnte vorher flüchten und hielt sich u. a. beim Bauern „Glirsch“ in Kornriegl versteckt. Dort war er nach eigener Aussage politischer Vertreter der Widerstandsgruppe O5.
Josef Krainer sen. wurde 1903 in Sankt Lorenzen bei Scheifling als uneheliches Kind einer Magd geboren. Nach Ableistung der Schulpflicht arbeitete er zeitweise als Knecht und betätigte sich schon früh politisch. Noch nicht volljährig gründete er 1921 in Kobenz die Ortsgruppe der christlichen Land- und Forstarbeiter und trat auch in die Christlich-soziale Partei ein. 1924 wurde Krainer Landesobmann des Verbandes Christlicher Land- und Forstarbeiter und zog nach Graz. Im November 1934 wurde Krainer Landtagsabgeordneter, ein Jahr später stellvertretender Landesobmann des Steirischen Bauernbundes. 1936 wurde Krainer u. a. Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte, Vizebürgermeister von Graz und Vizepräsident der Landwirtschaftskammer.
Als prominenter Repräsentant des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes wurde Josef Krainer am 12. März 1938 verhaftet und für drei Wochen arretiert. 1939 zog er zusammen mit seiner Gattin und seiner Schwiegermutter nach Gasselsdorf, wo er eine Ziegelei erworben hatte. Im Februar 1945 sollte Krainer auf Anweisung der Gestapo vom Gendarmerieposten Pölfing-Brunn verhaftet werden. Gendarmeriemeister Franz Hirmann des Postens Pölfing-Brunn gab diese Information dem Bürgermeister von Gasselsdorf, Josef Schelch, weiter, welcher Krainer rechtzeitig vor der drohenden Verhaftung warnte. Krainer konnte untertauchen und versteckte sich zunächst beim Hof „Stindlweber“ in Stammeregg, zeitweise auch beim Hof „Glirsch“ in Kornriegel. Um nicht aufzufallen, half er auf den Höfen als Knecht mit. Krainer selbst sagte 1948 vor Gericht als Zeuge aus, er sei „politischer Vertreter der Wiener Gruppe ‚O5‘ mit dem Standort Kornriegl in Steiermark“ gewesen. „Es waren dies ungefähr 25 Mann, die den politischen Stab geschützt haben.“ Inwiefern diese Gruppe, die manchmal auch als „Bataillon Kornriegl“ bezeichnet wird, erfolgreiche Aktionen gegen das NS-Regime unternahm, ist nicht mehr feststellbar. Belegt werden kann lediglich die gelegentliche Betreuung von Deserteuren und der Schutz für Bauern vor marodierenden Soldaten. Wie der Stabschef der „Kampfgruppe Steiermark“, Friedrich Tränkler, in einem Interview berichtete, hatte Krainer eine Zusammenarbeit mit den Partisanen – höchstwahrscheinlich wegen deren bekannt kommunistischen Einstellung – abgelehnt. Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde Josef Krainer sen. Bürgermeister von Gasselsdorf und geschäftsfürhrender Landesleiter der ÖVP sowie Landtagsabgeordneter und Landresrat der ÖVP. Krainer war von 1948 bis 1971 Landeshautmann der Steiermark.
Das Josef Krainer Bründl am Radlpass ist dem Andenken des ehemaligen Landeshauptmanns gewidmet.
Literatur: Stefan Karner, Maßgebende Persönlichkeiten 1938 in Graz, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 18–19 (1988), 381–436, hier 406. Christian Fleck, Koralmpartisanen. Über abweichende Karrieren politisch motivierter Widerstandskämpfer (= Materialien zur Historischen Sozialwissenschaft; 4). Wien/Köln 1986, 126–126. Herbert Blatnik, Zeitzeugen erinnern sich an die Jahre 1938–1945 in der Südweststeiermark. 2Eibiswald 2000, 246–247. Helmut Gebhardt, Die Gendarmerie in der Steiermark von 1850 bis heute. Graz 1997, 337. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes DÖW (Hg.), Widerstand und Verfolgung in der Steiermark. ArbeiterInnenbewegung und PartisanInnen 1938–1945. Graz 2019, 39, 471 und 576–579. politicum 113: Landeshauptmann Josef Krainer sen. 1948–1971–2011.
Text: Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung