Das Hügelgräberfeld Weitendorf/Kaiserwald – ein römischer Bestattungsplatz auf der Kaiserwaldterrasse. Das Hügelgräberfeld stellt mit 50 gut erkennbaren Grabhügeln das größte Areal dieser Art im Kaiserwald dar.
Es belegt eine bedeutende, bislang nicht lokalisierte römische Siedlung im Bereich der Talenge der Kainach beim Basaltsteinbruch von Weitendorf. Grabungen im Jahr 1939 konnten eine Nutzung dieses Bestattungsplatzes im 2. Jahrhundert n. Chr. nachweisen. Grabformen und -beigaben bezeugen die Übernahme von römischen Bestattungssitten durch die ansässige vorrömische Bevölkerung.
Das Hügelgräberfeld Weitendorf/Kaiserwald befindet sich am südlichen Ende des Kaiserwaldes, nordöstlich des Basaltsteinbruches Weitendorf. Wie andere Hügelgräberfelder auf der Schotterterrasse des Kaiserwaldes befindet sich auch dieses Areal in einer zum Talboden der Kainach erhöhten Randlage (314–323 m ü. A.). Der Bereich des Gräberfeldes ist vom südwestlich vorgesetzten Basaltstock durch einen bis zu 8 m tiefen, künstlich angelegten Geländeeinschnitt getrennt, durch den bis ins späte 19. Jahrhundert die Hauptverkehrsverbindung nach Zwaring und das Kainachtal flussaufwärts verlief. Da sich ein Teil der Grabhügel (Gruppe I) an dem linearen Einschnitt orientiert, dürfte dieser bereits in der Römerzeit vorhanden gewesen sein.
Die 50 Hügel
Die 50 Grabhügel verteilen sich auf einer Fläche von 500 m in West-Ost-Richtung und 300 m in Nord-Süd-Richtung in vier Gruppen, wobei die Grabhügel der Gruppen II und III in Reihen angeordnet sind; bei der letztgenannten Gruppe liegen sie beidseitig an einem west-östlich verlaufenden Weg. Große Grabhügel mit einem Durchmesser von über 20 m befinden sich abseits dieser Gruppen (Hügel 1, 2, 27 und 48). Möglicherweise handelt es sich dabei um große Dromosgräber des 2. Jahrhunderts n. Chr., vielleicht aber auch um Gräber aus der Hallstattzeit. Hallstattzeitliche Gräber in bzw. bei römerzeitlichen Hügelgräberfeldern sind auch anderorts nachgewiesen, am bekanntesten in Altenmarkt bei Flavia Solva, aber auch bei Zettling/Forst im Kaiserwald. Die anderen 46 Grabhügel besitzen Durchmesser von 8 bis 20 m und Höhen von 0,30 bis 2 m, die durch natürliche Erosion und illegale Grabungen zum Teil stark verschliffen worden sind.
Grabungen 1939
Archäologische Grabungen fanden im Jahre 1939 durch das ehemalige Landesmuseum Joanneum statt. Damals wurden fünf Grabhügel untersucht, drei in Gruppe I (Hügel 7, 8 und 15) sowie je einer in Gruppe II (Hügel 23) und III (Hügel 37). Den Grabungsunterlagen zufolge enthielten zwei Grabhügel Steineinbauten. Hügel 8 barg eine aus sechs Sandsteinblöcken gebildete, annähernd viereckige Steinsetzung mit Brandschicht. Hügel 7 besaß eine dreiseitig umschlossene rechteckige Kammer, deren Mauern aus behauenen Basaltstücken trocken, d. h. ohne Mörtelbindung, errichtet waren. Im Inneren befand sich ein Boden aus Geröllsteinen, darüber eine Brandschicht. Dem Fundmaterial zufolge wurde das Hügelgräberfeld in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. als Bestattungsplatz verwendet.
Einordnung der Gräber
Die Hügelgräber von Weitendorf/Kaiserwald gehören zu einer in der Mittelsteiermark, in Nordslowenien, im Burgenland sowie in West- und Südungarn verbreiteten Grabform, die als norisch-pannonische Hügelgräber bezeichnet wird. Die Sitte, einfache Hügelaufschüttungen über Brandbestattungen aufzuwerfen, begann in augusteischer Zeit, also etwa um die Zeitenwende. Hügelgräber waren zumeist schlichte Brandgräber mit Erdaufschüttungen, zuweilen enthielten sie einfache Einbauten aus Holz oder Stein. Erst ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. wurden Hügelgräber zum Teil aufwändiger ausgestattet, etwa mit gemauerter Grabkammer, Zugang (Dromos) und repräsentativen Außenelementen, wie Grabstelen oder -platten mit Inschriften oder Porträts. Diese nach italischer Art gestalteten Dromosgräber sind Zeugnisse einer fortschreitenden Romanisierung der einheimischen Bevölkerung. Die Grabform blieb bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. bestehen.
Weitere Hügelgräber
Grabhügel sind deutlich sichtbare und zum Teil eindrucksvolle Geländemerkmale. In der Hengist-Region lassen sich aktuell 214 Grabhügel aus der Hallstattzeit und Römerzeit feststellen. Davon besitzen 34 Grabhügel Grundflächen von über 300 m², das entspricht einem Durchmesser von mehr als 20 m. Grabhügel sind allein anhand ihrer Größe nicht zeitlich einzuordnen; lediglich bei Hügeln mit Grundflächen von über 750 m² (30 m Durchmesser) lässt sich eine Datierung in die Hallstattzeit vornehmen, wie bei den Exemplaren in den Hügelgräberfeldern bzw. -gruppen Galgenkogel, Buchkogel/Nordhang und Grafenkogel. Römerzeitliche Hügelgräberfelder sind zumeist weniger als 500 m von den Siedlungsplätzen entfernt. Das Hügelgräberfeld Leitersdorf/Nord stellte demnach den Begräbnisplatz der römischen Villa Leitersdorf/Gamsäcker knapp nördlich des Straßenabschnitts der römischen Laßnitztalstraße von Leitersdorf/Süd dar. Nur das Hügelgräberfeld Treffling/Ost liegt mit 800 m Entfernung zur römischen Villa Stangersdorf/Breitwiesen deutlich über dieser Regelmarke. Bei vielen Grabhügeln lassen sich derzeit überhaupt keine dazugehörigen Siedlungsplätze benennen. Auch beim Hügelgräberfeld Weitendorf/Kaiserwald gibt es bislang keine Hinweise auf die Lage der dazugehörigen Siedlung, die am linken Talrand der Kainach zu vermuten ist.
Text: Mag. Dr. Stephan Karl