Spürt man nun in der Geschichte zurück, so gelangt man bis in die Jungsteinzeit (die Zeit der ersten sesshaften Ackerbauern, etwa im 4. Jahrtausend v. Chr.), aus der Fundmaterial von hier vorhanden ist. Und auch aus der Kupferzeit und der darauf folgenden Bronzezeit kennen wir Reste der Frauenberger Siedlungen. Am Ende der Urnenfelderzeit (um 800 v. Chr.) kam es schließlich zur Herausbildung einzelner größerer Zentren, wobei die gut befestigten Höhensiedlungen darauf schließen lassen, dass es eine Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen war. In der Eisenzeit formierte sich schließlich ein machtvolles Zentrum in der Weststeiermark, am Burgstallkogel bei Großklein, das als Fürstensitz gilt und wohl überregionale Bedeutung erlangte. Auch auf dem Frauenberg gab es in dieser Zeit (um 600 v. Chr.) eine Siedlung, von der Gräber in Leibnitz-Altenmarkt aber auch auf dem Frauenberg selbst Zeugnis ablegen.
Eine zentralörtliche Funktion erlangte die Niederlassung vermutlich dann in der Zeit der Kelten (etwa 450 – 15 v. Chr.), als einzelne Stämme, die wir nicht mit Sicherheit benennen können, in den südsteirischen Raum vorrückten. Am Ende dieser keltischen Periode (der sog. Latènezeit) treten nun auch erste schriftliche Zeugnisse auf und auch eine eigene Münzprägung ist mittlerweile für den Frauenberg belegt. Archäologisch konnten in den letzten 30 Jahren zahlreiche Bereiche dieses bisweilen als oppidum bezeichneten Ortes untersucht werden, wobei neben Grabungen des Landesmuseums Joanneum auch Untersuchungen durch das Bundesdenkmalamt und durch das Österreichische Archäologische Institut zu dessen Erforschung beitrugen. Spektakulär waren die Notgrabungen auf den sog. Perl-/Stadläckern, einer mit 350 m etwas niedrigeren Terrasse am Osthang der Siedlung. Teilweise freigelegt und untersucht werden konnte ein keltisches Heiligtum, bestehend aus einem etwa 90 x 60 m messenden etwa 5 m breiten Graben, einer inneren Holzpalisade und verschiedenen weiteren hölzernen Baustrukturen. Über das Kultgeschehen können wir uns aus analogen Befunden sowie aus dem Fundmaterial ein vages Bild machen: Im Rahmen von großen kultischen Zusammenkünften wurden unzählige Rinder geopfert und einzelne Teile – interessanterweise fast ausschließlich die Schulterknochen – in den Gräben deponiert. Auch Münzen, Trachtbestandteile und Waffen, die zuvor noch absichtlich verbogen und somit unbrauchbar gemacht worden waren, wurden im Graben geopfert. Die Bedeutung des Heiligtums zeigt sich an der Menge der Rinder, die hier geopfert wurden: Viele Tausend Individuen lassen sich allein aus den Knochen erschließen, die bei der Grabung, die aber nur einen Ausschnitt der Gesamtanlage umfassen konnte, gefunden wurden. Im Zentrum könnte die Verehrung einer Gottheit gestanden haben, die man an diesem Ort, an dem ein alter hallstattzeitlicher Grabhügel sichtbar war, in irgendeiner Form präsent dachte. Kultische Aktivitäten fanden wohl bis in die frühe römische Kaiserzeit statt, spätestens unter dem Kaiser Claudius, der die blutigen Opfer durch die Druiden verbot, wurden sie aber eingestellt (41–54 n. Chr.).
Aus der römischen Kaiserzeit kennen wir ein Heiligtum in zentraler Lage am Frauenberg (Abb. 2). Dessen Erforschung begann in den Fünfziger Jahren, als man den Unterbau eines vergleichsweise gut erhalten Tempels freilegte. In den letzten zehn Jahren wurde das etwas höher gelegene Areal westlich dieses Baus besser erforscht und dadurch wertvolle Befunde dokumentiert. Diese reichen bis in die keltische Latèneperiode zurück, unterscheiden sich aber signifikant von den zuvor beschriebenen Spuren eines Kultplatzes. Pfostengruben, die als Reste eines Holzbaus anzusehen sind und andere kleinere Gruben enthielten Fundmaterial, von dem die vielen Amphorenbruchstücke am interessantesten sind. Sie zeigen, dass bereits in der späten Keltenzeit im 1. Jh. v. Chr. Wein aus Italien hierher verbracht wurde. Er wurde wohl hier konsumiert, die Amphoren anschließend zerschlagen, sodass von den großen Transportgefäßen nur kleine Fragmente übrig blieben. Dieser Vorgang des Zerschlagens kann möglicherweise mit Kultpraktiken verbunden werden, wie sie in spätkeltischen Kontexten manchmal belegt sind. Auch in dem tiefer gelegenen zuvor angesprochenen Kultbezirk wurden Festmahle abgehalten, Wein konsumiert und Trankopfer dargebracht, das blutige Opfer, vom dem die Tierknochen zeugen, und das mit dem Wirken der Druiden verbunden werden kann, trat demgegenüber allmählich in den Hintergrund, bis es in der Kaiserzeit gänzlich verboten wurde.
Der erste Steinbau (Abb. 2, rot) im Tempelbezirk stammt aus dem mittleren 1. Jahrhundert n. Chr., es handelt sich um einen einfachen viereckigen Bau, der ein Vierteljahrhundert später von einem größeren Umgang umgeben wurde. Die Rekonstruktion dieser bereits monumental ausgestalteten Anlage ist noch nicht geklärt. Offenbar war der Kultbau bereits nach Osten ausgerichtet und orientierte sich auf einen Altar hin, der in einer axialen Beziehung stand und über eine breite Freitreppe mit dem Tempel verbunden war. Als in der spätflavischen oder trajanischen Epoche der große Podiumstempel (Abb. 2, dunkelblau) erbaut wurde, wurde dieser im abschüssigen Gelände so weit nach Nordosten gerückt, dass der ältere Altar seinen Platz behalten konnte. Als Zugang zum Tempel diente nicht eine breite Freitreppe, wie sie bei vergleichbaren Bauten gebräuchlich war, sondern zwei schmälere Treppen, in deren Zwischenraum ausreichend Platz für den älteren Altar blieb. Unklar ist die Gestaltung des Areals südlich davon. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man aber von weiteren sekundären Bauten wie kleineren Kapellen oder Hallen ausgehen. Unter den Göttern, die im römischen Heiligtum verehrt wurden, gehören wohl die Ammengöttinnen (Abb. 3) zu den wichtigsten. Von ihnen, die als Nothelferinnen und Beschützerinnen der Säuglinge angerufen worden sein dürften, wurden im Heiligtum zahlreiche Statuetten gefunden, die die sitzenden Göttinnen zeigen, die ein Wickelkind auf dem Schoß halten, das sie gerade stillen. Früher wurde der Podiumstempel als ein Isis-Tempel angesehen, und die Angleichung der Isis mit der Göttin Noreia, die in Inschriften aus Kärnten bekannt ist, auch für diesen Kultort in Betracht gezogen. In der im Osten an das Stadtterritorium anschließenden colonia Claudia Savaria, dem heutigen Szombathely, gehörte Isis ebenfalls zu den prominenten Gottheiten, weshalb ihre Verehrung auch auf dem Frauenberg angenommen wurde. Eine Marmorstatue (Abb. 4) sowie ein Altar für den Gott Merkur, gestiftet von einem Angehörigen der Oberschicht von Flavia Solva, belegen, dass auch dieser Gott einen hohen Stellenwert im Heiligtum innehatte. Inschriftlich belegt sind noch die Götter Mars Latobius (der in einer Inschrift mit den keltischen Namen Marmogius, Sinatis und Toutatis angerufen wurde) sowie die Pferdegöttin Epona.
Die Bedeutung des Frauenberger Heiligtums für das municipium Flavia Solva ist leider noch zu wenig bekannt, man kann aber wohl davon ausgehen, dass es eine zentrale Rolle für die Stadt gespielt hat. Die Funktion von Heiligtümern als identitätsstiftende Orte, an denen an jährlich wiederholenden Festen die für das Gemeinwesen grundlegenden Mythen tradiert und gepflegt wurden, ist für römische Städte hinlänglich untersucht worden. In Orten der gallo-römischen Provinzen, in denen eine starke keltische Tradition wirkte, waren die Heiligtümer häufig auch der Sitz der ehemaligen civitates, die dort ihre Zusammenkünfte abhielten. Für den Frauenberg ist eine vergleichbare Funktion nicht belegt, wäre aber in Analogie zu vergleichbaren Kultorten durchaus anzunehmen. Auch die regelmäßigen Loyalitätsbekundung an das römische Kaiserhaus fanden an diesen Orten statt, weshalb auch für den Frauenberg Feierlichkeiten im Zusammenhang mit dem Kaiserkult denkbar sind. Als sich in der mittleren und späteren Kaiserzeit (im 3. und 4. Jh. n. Chr.) die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen änderten und unter dem Druck germanischer Stämme die Grenzverteidigung neu organisiert werden musste, erhielt der Frauenberg abermals eine neue Bedeutung.
Der viel leichter zu verteidigende Frauenberg wurde wieder zur befestigten Siedlung, wohingegen das in der Ebene gelegene Flavia Solva, das über keine Stadtmauern verfügte, verlassen wurde. Eine kleinere militärische Einheit, die diese Rückzugssiedlung sicherte, wird inzwischen von den meisten ArchäologInnen am Berg vermutet. Das vierte Jahrhundert war auch die Zeit als das Christentum zur offiziellen Religion wurde und – nachdem es einige Zeit noch mit älteren heidnischen Kulten parallel gegangen war – zur Zeit des Kaisers Theodosius ältere Kulte gänzlich verboten wurden. Lange wird es nicht gedauert haben, bis auch am Gipfel des Frauenberges diese neue Staatsreligion die älteren Kulte ablöste. Am Ort der Verehrung wurde also festgehalten und über dem alten Heiligtum eine erste Kirche errichtet. Sowohl die zeitliche Einordnung als auch der konkrete Grundriss dieser Kirchenanlage sind noch nicht klar, am wahrscheinlichsten aber ist wohl die Annahme einer frühen Rechteckkirche über der Vorhalle des Podiumstempels, die später sukzessive zu einer größeren Kirchenanlage mit Baptisterium im Westen erweitert wurde. Die zahlreichen bei der Grabung aufgefundenen marmornen Fragmente einer Inneneinrichtung, einer Chorschrankenanlage, möglicherweise eines Ambos oder Ziboriums und von Mensaplatten, weisen jedenfalls darauf hin, dass sich im fünften Jahrhundert hier eine ansehnliche Kirche befand, die dann auch Bischofssitz gewesen sein könnte.
Die Epoche des Frühmittelalters ist für unseren Raum noch vergleichsweise wenig erforscht. Ob eine Kontinuität aus der Spätantike bis das Mittelalter und somit bis in unsere Zeit verfolgt werden kann, wie man vermuten könnte, oder ob durch die historisch belegte Expansion der Awaren und der Slawen auch die Frauenberger Siedlung gänzlich zerstört wurde und verlassen blieb, ist fraglich. Grabfunde aus dem Tempelbezirk weisen aber auf eine Kirche frühmittelalterlicher Zeitstellung hin; die heute bestehende Kirche wurde als ecclesia Sanctae Mariae in monte im Jahr 1107 erstmals urkundlich genannt. Als Filialkirche der Pfarre Leibnitz im Marienwallfahrtsort Frauenberg hat sie bis heute eine große Bedeutung.
Viele neue archäologische Entdeckungen in den letzten Jahren haben das Bild über die Heiligtümer auf dem Frauenberg präzisiert. Neben den Grabungsbefunden kann auch durch Analysen von Fundmaterial, durch vergleichende Betrachtung von Befunden aus verschiedenen geographischen Räumen und der Versuch einer Zusammenschau verschiedener Quellengattungen das Wissen erweitert und die Verbindung des Heiligtums zur Stadt in der Ebene näher beleuchtet werden. Dass dies in naher Zukunft für den Tempelberg Flavia Solvas noch besser gelingen möge, bleibt zu hoffen.