Seit mehr als 140 Jahren führt das Universalmuseum Joanneum Ausgrabungen in Wagna durch und widmet sich der Aufarbeitung bereits ergrabener Funde. Nachdem Richard Knabl die römische Stadt westlich des Marktes Wagna als Flavia Solva identifiziert hatte, führte als erster Friedrich Pichler, als Kustos des Universalmuseums Joanneum 1877/78, wissenschaftliche Ausgrabungen durch.
Von 1911 bis 1918 grub der Landesarchäologe Walter Schmid unter Beiziehung von Kriegsgefangenen große Teile der Stadt aus. Auf ihn geht der erste Stadtplan und auch die Benennung der insulae (Häuserblocks) und der bis zu 20 Meter breiten Straßen zurück. Schmids Nachfolger im Joanneum, Walter Modrijan, war in der Nachkriegszeit mit einem Bauboom und damit einhergehenden Notgrabungen konfrontiert. Die Protokollierung der Beobachtungen dieser Jahre lag auch bei Eduard Staudinger, einem Hauptschullehrer aus Leibnitz, der auch korrespondierendes Mitglied der Historischen Landeskommission für Steiermark war. Zwischen 1949 und 1989 hielt Eduard Staudinger in hunderten Protokollen, Skizzen und Bildern fest, was er selbst in Wagna beobachtete und was ihm die Bevölkerung, vor allem auch Schüler/innen, berichteten. Die Protokolle haben sich als Originale und Kopien im Universalmuseum Joanneum, im Bundesdenkmalamt, aber auch in privaten Archiven erhalten. Staudinger und dem Vermesser Alexander Legat gelang es auch, den Stadtplan, der auf Walter Schmid zurückgeht, wieder mit dem Parzellenplan von Wagna in Einklang zu bringen und es so zu ermöglichen, aktuelle Beobachtungen punktgenau zu protokollieren. Von 1970 bis 2002 war der Grabungsleiter Erich Hudeczek, dessen Lebenswerk in Solva nicht nur zu zahlreichen Publikationen führte, sondern auch in der Landesausstellung 2004 „Die Römer“ gipfelte. Im Jahr 2007 nahm das Universalmuseum Joanneum unter Barbara Porod die Ausgrabungen wieder auf. 2011 mussten diese vorläufig eingestellt werden. Ein Desiderat für die Zukunft ist die Aufarbeitung der ergrabenen Funde.
Flavia Solva: Ein wichtiger Beitrag zur Regionalisierung des Universalmuseums Joanneum
Seit 2004 werden im neu errichteten Pavillonsgebäude Flavia Solva archäologische Funde, die vom Leben in der antiken Stadt erzählen, der Öffentlichkeit präsentiert. Das Gebäude – entworfen vom Grazer Architekturbüro Nussmüller – schwebt auf sechs Säulen ruhend über den Ruinen der Insula XXII und stellt die Exponate in engen Bezug zu ihrem originalen Fundort. Die Einbindung des antiken Umfelds macht diesen Bau zu einem transparenten Ort, der den Besucherinnen und Besuchern das Leben in der antiken Stadt ungewöhnlich nahe bringt, und so auch – und das nicht nur in seiner architektonischen Konstruktion – eine Brücke von der Gegenwart in die antike Vergangenheit der Steiermark darstellt. Mit der Errichtung des Ausstellungsgebäudes in Flavia Solva hat das Universalmuseum Joanneum einen Schritt in Richtung Regionalisierung getan. 2012 wurden die Ausstellung und das Außengelände neu gestaltet, mit dem Café Koppitz wurde ein gastronomischer Partner gefunden, der die Attraktivität und die Frequenz des Standortes deutlich steigern konnte. Diese einzigartige Kombination aus Kulinarik und Wissensvermittlung geht mit niedrigschwelligen Angeboten einher, etwa dem jährlich wechselnden Schaufenster in die Römerzeit. Für die Zukunft wird eine engere Kooperation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Wagnas zur umfassenden Erforschung der römischen Stadt angestrebt.
Flavia Solva: Ausbildungsstätte für Archäologinnen und Archäologen
Bis 2011 wurden etwa 40 Jahren lang vom Universalmuseum Joanneum, Abteilung Archäologie & Münzkabinett, in den Sommermonaten Forschungsgrabungen als Lehrgrabungen des Instituts für Archäologie der Karl-Franzens-Universität Graz durchgeführt. Diese Lehrgrabungen dienten der Ausbildung der Studierenden und es gibt in der Steiermark kaum einen Archäologen, kaum eine Archäologin, der oder die nicht einen Sommer in Flavia Solva verbracht hätte. Auch Abschlussarbeiten gingen aus dieser fruchtbaren Partnerschaft mit der Universität hervor.
Flavia Solva: Ein Lesebuch
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse von 100 Jahren Forschung in Flavia Solva kann im 2010 erschienen Buch „Flavia Solva. Ein Lesebuch“ nachgelesen werden. Diese „Solvenser Anthologie“ will nicht als Ausstellungskatalog verstanden werden, sondern als Lesebuch, in dem die Stadt Flavia Solva über ihre Bedeutung als Teil des römischen Reiches hinaus auch als Mikrokosmos mit spezifischen Charakteristika dargestellt wird. Zu diesem Zweck haben sich zehn Autorinnen und Autoren bereit erklärt zu Flavia Solva Texte zu ihren jeweiligen Spezialgebieten zu verfassen.
Das Lesebuch kann hier bestellt werden: https://phoibos.at
Hier können Sie kostenlos, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr Interessantes über die älteste Stadt der Steiermark erfahren. Umrunden Sie den Pavillon – ein Schaufenster in die Römerzeit – oder spazieren Sie über die archäologische Stätte! Wissenswertes ist an mehreren Punkten abrufbar.
Kontakt:
Marburgerstraße 111, A-8435 Wagna
T: +43 316 8017 9560, archaeologie@museum-joanneum.at
www.museum-joanneum.at/flavia-solva
Text: Mag.a Dr.in Barbara Porod