Von der Bevölkerung mitunter als „Pestkreuze“ bezeichnet, haben sich vereinzelt immer noch bildstockartige Säulen in der Landschaft der Region Hengist erhalten. Ihre eigentliche Bedeutung ist im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten, und doch handelt es sich bei ihnen – zumeist – um Denkmäler an der Grenze zwischen unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen regionaler oder lokaler Gerichtsbarkeit.
Der Burgfried um Markt und Stadt
Mit dem Territorium eines Marktes oder einer Stadt war üblicherweise das Burgfriedrecht verbunden – so wie es die steirischen Herren und Landleute auch auf ihren Adelssitzen und Eigengütern ausübten. Der Burgfried als Friedensbezirk erstreckte sich anfangs auf das Gebiet innerhalb der Befestigungsmauern eines bürgerlichen Gemeinwesens, bald aber auch darüber hinaus. Im Burgfried übte der Markt- bzw. Stadtrichter die niedere Gerichtsbarkeit aus, manche durften auch einen Verbrecher verhören, ehe sie ihn an den Landrichter zum Urteil über Leben und Tod auslieferten. Der Landrichter durfte einen Burgfried in richterlicher Eigenschaft nicht betreten. Störer des sozialen Friedens innerhalb der Mauern von Stadt und Markt wurden am Pranger dem öffentlichen Spott preisgegeben; der historische Pranger des Marktes Wildon ist heute in die Fassade des Alten Rathauses integriert.
Die Grenzen des Burgfrieds kennzeichnete die Bürgerschaft mit Bildstocken, markierten Holzpflöcken oder Grenzsteinen, die meist die Initialen des Marktes oder der Stadt trugen und die Jahreszahl einer Grenzerneuerung. Solche „Burgfriedsberainungen“ fanden in regelmäßigen Abständen statt. Dabei ritt und schritt eine Kommission aus Richter, Ratsmitgliedern und Bürgern (alt und jung) die Grenzen ab und traf sich mit benachbarten Grundherren zur Regelung allfälliger Grenzabweichungen. An besonders wichtigen Punkten wurde die Jugend an den Haaren gezogen oder erhielt Ohrfeigen, um sich die Grenze besonders einzuprägen. Den Abschluss bildete ein Fest, bei dem eine reiche Speisenfolge geboten wurde und eigens geprägte Gedenkmünzen erhältlich waren. Das Burgfriedkreuz des Marktes Wildon steht immer noch an der Straße nach Neudorf und markiert die Grenze der Katastralgemeinde. Und auch bei den Bildstöcken in Neudorf sowie Stocking (Aug, Hart) wird es sich um solche Grenzzeichen aus der Frühen Neuzeit gehandelt haben.
Text: Mag. Dr. Gernot P. Obersteiner, MAS